Pressemitteilung Nr. 18/1169

Osigus und Prange: Sexueller Missbrauch in Kirchen muss aufgearbeitet werden – Diskussionsrunde im Landtag

Pressemitteilung Nr. 18/1169

Am Mittwoch luden die Sprecherin der Enquetekommission Kinderschutz, Wiebke Osigus, und der Sprecher für Recht und Verfassung, Ulf Prange, im Namen der SPD-Landtagsfraktion verschiedene Expert*innen zu einer hybriden Sitzung in den Niedersächsischen Landtag ein.

Das Thema der Diskussionsrunde war die Aufarbeitung und Prävention sexuellen Missbrauchs von Kindern in den katholischen und evangelischen Kirchen. Als Fachleute diskutierten Prof. Michael Droege, Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Prof. Martin Wazlawik, Dozent für Soziale Arbeit an der Hochschule Hannover, sowie der stellvertretende Direktor Tillmann Bartsch und die Sozialwissenschaftlerin Laura Treskow vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. mit den Landtagsabgeordneten über eigene Projekte, die aktuellen Rechtslagen und mögliche Ausblicke.

Eingangs wurde vor allem die aktuelle Rechtsstellung der Kirchen in Deutschland erörtert. Kirchen haben als Körperschaften des öffentlichen Rechts eine eigene Regelhoheit, die auch verfassungsrechtlich abgesichert ist. Ergänzende Regelungen zum Verhältnis von Staat und Kirche enthalten Konkordate und Staatskirchenverträge. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafanspruch und dem eigenen Strafanspruch etwa der katholischen Kirche. Die Verfahrensregelungen sind dabei unterschiedlich ausgestaltet, etwa im Hinblick auf Akteneinsichtsrechte und den Grundsatz der Öffentlichkeit. „Im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass die eigenständigen Regelungen der Kirche einer umfänglichen und transparenten Aufklärung entgegenstehen. Hier stellt sich die Frage, ob dadurch das staatliche Gewaltmonopol unterlaufen wird und inwieweit institutionelle Strukturen die Aufarbeitung von Fehlverhalten erschweren, was letztlich nicht allein die Kirche betrifft, sagt der SPD-Abgeordnete Prange.

Prof. Droege führte aus, dass es inzwischen zaghafte Versuche innerhalb der Kirche zu einem besseren Kinderschutz gebe. Allerdings galt sexueller Missbrauch bisher vor allem als Verstoß gegen das sechste Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ – was den Umständen nicht annähernd gerecht werde.

Detailliert diskutierte die Runde außerdem die Frage nach einer Anzeigepflicht in Institutionen wie der Kirche. Hier gab es unter den eingeladenen Expertinnen und Experten unterschiedliche Auffassungen. Dazu die SPD-Rechtsexpertin Osigus: „Im Rahmen der rechtspolitischen Fragen zum Thema Kinderschutz haben wir die Frage einer allgemeinen Anzeigepflicht bei Kindesmissbrauch besprochen, aber noch nicht abschließend geklärt. Ich freue über die zahlreichen Impulse aus dieser Runde, die wir in die weitere Beratung einbeziehen werden. Festzuhalten bleibt allerdings, dass der Staat sämtliche Mittel und Methoden an der Hand zu haben scheint, um Unrecht in der Institution Kirche aufzuklären. Es gibt dort jedenfalls theoretisch kein paralleles Rechtssystem. Wir werden uns nun im nächsten Schritt die Frage stellen, worin die nach außen zögerlich wirkende Haltung, was die Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle angeht, begründet ist. Interessant dürfte hierbei auch die Frage sein, ob der Staat wirklich klar formuliert hat, was er bei Mitwisserschaft erwartet. Vergleichbar mit der neuen Haftung aus dem Netzwerkdurchsuchungsgesetz könnte man sich auch eine Haftung der gesamten Institution Kirche vorstellen.“

Hintergrund:

Kritiker der Anzeigepflicht bemängeln, dass das gestörte Vertrauensverhältnis der Opfer zu den Institutionen eine effektive Anzeige behindert. Betroffene Kinder würden sich aus Angst oder Scham niemandem anvertrauen, wenn sie nicht auf eine vertrauensvolle Atmosphäre bauen können. Zudem sei es wichtig, ihnen die Entscheidung über eine Anzeige zu überlassen.

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