Pressemitteilung Nr. 18/493

Brexit, und dann? – Europaausschuss des Landtages in Großbritannien und Irland

Pressemitteilung Nr. 18/493

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung des Niedersächsischen Landtages informierte sich in London, Dublin und Edinburgh vor Ort detailliert über den Brexit, seine möglichen Auswirkungen, Hintergründe und dazu bestehende unterschiedliche Auffassungen.

Alle Ausschussmitglieder waren sich einig, dass ein Austritt des UK ohne Deal verheerende Auswirkungen haben wird. Insofern begrüßen sie, dass mit den erneuten Verhandlungen zwischen Großbritannien und Brüssel Hoffnungen zu einem geregelten Austritt bestehen.

Die Ausschusssprecher Dr. Christos Pantazis (SPD), Dr. Stephan Siemer (CDU) und Dragos Pancescu (Bündnis 90/Die Grünen) sowie die Ausschussvorsitzende Gudrun Pieper (CDU) über ihre Eindrücke und gewonnenen Erkenntnisse:

Ausschussvorsitzende Gudrun Pieper (CDU): „Neben den bekannten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen eines – insbesondere ungeregelten – Brexits wurde uns in den Gesprächen in Dublin und Dundalk die Bedeutung der Einhaltung des Karfreitagsabkommens beeindruckend verdeutlicht. Insbesondere dem Friedensprozess verpflichtete, überparteiliche zivilgesellschaftliche Gruppen und Beteiligte am Zustandekommens des Karfreitagsabkommens führten uns vor Augen, wie instabil der Frieden an der jetzt noch unsichtbaren irisch-nordirischen Grenze ist. Es war erschreckend zu hören, wie uns diese direkt Betroffenen unisono ihre Befürchtungen schilderten, nach denen eine sichtbare Grenze und Kontrollen wieder zum Erwachen militanter Kräfte führen werden. Die Verhandlungsposition der EU-27, dieses Szenario unbedingt zu verhindern, gilt es daher weiterhin uneingeschränkt zu unterstützen.“

Dr. Christos Pantazis (SPD): „Im Gespräch mit der Bürgerrechtsbewegung ‚the3million‘ zu aufenthaltsrechtlichen Fragen wurden leider unsere Befürchtungen bestärkt, dass die britische Regierung nicht genug dafür tut, den Aufenthaltsstatus für EU-Bürgerinnen und –Bürger zukünftig, also nach dem Brexit, rechtssicher zu gestalten. Die aktuellen Verfahren zur Erlangung von Aufenthaltstiteln vermitteln eher den Eindruck, dass diese dann nur noch im UK geduldet werden. Als Konsequenz daraus hat die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus EU-Staaten bereits mit steigender Tendenz begonnen. Diese Rechtsunsicherheit wird natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf den so wichtigen Schüler- und Jugendaustausch und auch die Nutzung von Studienmöglichkeiten bleiben. Schon jetzt ist das Interesse an einem Studium in Großbritannien bei Studierenden aus der EU aufgrund der unklaren statusrechtlichen Rahmenbedingungen rückläufig.

Dr. Stephan Siemer (CDU): „Die Gespräche mit dem Zoll und Wirtschaftsvertretern – gerade zu Fragen der Warenverkehrsabwicklung, der grenzüberschreitenden Logistikketten und Lieferbeziehungen – haben uns klar vor Augen geführt, welche negative Auswirkungen der Brexit und ganz dramatisch natürlich ein ungeregelter Brexit haben werden. Die realistisch zu erwartenden Verzögerungen im Warenverkehr durch dann erforderliche Zollkontrollen und längere Transportrouten werden zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen. Dies betrifft insbesondere die auf Just-in-time-Produktion ausgerichtete Autoindustrie in England und die stark exportorientierte Nahrungsmittelproduktion in Irland und Nordirland. Diese Entwicklung wird insbesondere in Großbritannien zum Abbau von Industriearbeitsplätzen führen und die Wohlstandschere zwischen Nord- und Südengland weiter vergrößern. Während der Finanzplatz London damit rechnen kann, seinen Platz im internationalen Finanzwettbewerb verteidigen zu können, wird die Entwicklung der ländlichen Räume, insbesondere im vormals industriell starken Norden Englands und Wales, noch weiter zurückfallen.“

Dragos Pancescu (Grüne): „Die abschließenden Gespräche in Edinburgh mit schottischen Parlamentariern und Regierungsvertretern rundeten die Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Brexit ab. Sehr klar wurde hierbei auch, dass sich dadurch die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands verstärken werden. Man sieht sich dort mehrheitlich als Teil der Europäischen Union, und es ist daher zu erwarten, dass die schottische Regierung ihre Vorbereitungen für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum massiv vorantreiben wird. Nichtsdestotrotz soll aus niedersächsischer Sicht das Tor Europas für Großbritannien offen bleiben, wenn wir Europäer – wie in der Vergangenheit – Werte und gemeinsame Ideale vorantreiben wollen.“

Ausschussvorsitzende Gudrun Pieper (CDU) abschließend: „Wir müssen nun die Debatten im britischen Unterhaus abwarten. Die jetzige vorläufige Einigung ist ein erster Schritt. Und wir wissen auch, dass sowohl das Europaparlament als auch das britische Unterhaus dieser Einigung zustimmen müssen. Es bleibt spannend.“

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